Stille – was bewirkt dieses Wort in genau diesem Moment in dir? Vielleicht ein Entsetzen? Ein Unverständnis? Frust? Sehnsucht? Versuche mal, dir jetzt ein bis zwei Minuten Zeit zu nehmen und einfach stille zu sein; keine Musik, keine Ablenkung, keine Gespräche, kein Tun…

Und nun? Wie geht es jetzt weiter? Diese Frage beschäftigt mich seit Anfang des Jahres, wenn ich an das Thema Stille denke. Stille ist bisher kein großer Teil meines Lebens gewesen, vermutlich sogar gar kein Thema – außer vielleicht beim Schlafen. Wobei auch da viele Nächte sehr laut und unruhig waren aufgrund von Dingen, die man in Träumen verarbeitet hat.

„Stille vor dir, mein Vater. Neue Stille vor dir suche ich, Herr. Stille vor dir, ich höre. Rühre mich an durch dein Wort“ ist ein ganz bekannter Chorus aus einem Lied. Für mich war Stille ein Abstraktum. Ich konnte damit überhaupt nichts anfangen. Immer beschäftigt sein, ein Macher. Dinge nach vorne treiben, anpacken. Das bestimmte mein Leben. In Zeiten körperlicher Herausforderungen durch zum Teil schwere Krankheiten kam ich an den Ort der Stille. Aber war es das? Musste ich immer körperlich „ausgeschaltet“ werden, um Ruhe und besonders Stille zu finden?

Zum Ende des vergangenen Jahres entschied ich mich für eine Woche in ein Kloster zu gehen. Ende Januar war es dann soweit. Ich begab mich auf den Weg in das Jesuitenkloster in Frankfurt in die sogenannte Zukunftswerkstatt. Dort lernte ich, der Stille zu begegnen, sie für mich zu nutzen und sie sogar lieb zu gewinnen.

Eine Geschichte aus dem Alten Testament hat mich während dieser Woche sehr beschäftigt und begleitet. Hier geht es um Elia. Bei Elia geht auch richtig die Post ab. Er führt ein sehr turbulentes und herausforderndes Leben. Stille kennt Elia kaum – so macht es den Anschein.

In 1. Könige 19 jedoch bemüht sich Gott um die Aufmerksamkeit von Elia. Ein heftiger Sturm zog auf, riesige Felsbrocken lösten sich aus dem Berg und wurden zerschmettert. Es muss ein gewaltiges Getöse gewesen sein, wenn Gesteinsmassen abgängig werden und ins Tal runter rauschen. „Doch der Herr war nicht in dem Sturm“ heißt es an der Stelle. Dann bebte die Erde, alles wackelte und Unruhe machte sich breit. „Aber auch im Erdbeben war der Herr nicht.“ Zu guter Letzt entfachte ein Feuer, eine sehr bedrohliche und angsteinflößende Situation, in der es buchstäblich um Leben und Tod geht. „Doch der Herr war nicht darin“ heißt es in Vers 12. Anschließend vernahm Elia ein stilles, sanftes Säuseln und er erkannte die Stimme des Herrn.

Das hat mich irgendwie fasziniert. In dieser Minute werden rund 30 Millionen Minuten Musik bei Spotify gehört. YouTube hat jeden Tag über 1 Milliarde aktive Nutzer und hier werden jede Minute rund 500 Stunden an neuem Videomaterial hochgeladen. Beschäftigt sein oder beschäftigt werden ist in unserer Zeit ein sehr großes Thema. Viel zu schwer schafft man (und hiermit meine ich eigentlich mich an erster Stelle), in die völlige Ruhe und Stille abzutauchen.

Die Zeit im Kloster, ganz ohne Medien, Smartphone, Telefonanrufe und E-Mails hat mich anfänglich sehr herausgefordert. Ich brauchte einige Tage, um in die Stille zu kommen, mich darauf einzulassen. Die Synonyme Sturm, Erdbeben und Feuer für das turbulente Leben legten sich von Tag zu Tag, von Stunde zu Stunde und ich vernahm das stille und sanfte Säuseln und ich hörte immer mehr Gottes Reden.

Ein Zitat von Franz von Sales bewegte mich sehr in diesen Tagen: „Nimm dir jeden Tag eine Stunde Stille vor Gott, außer du hast viel zu tun, dann nimm dir zwei!“ Wow! Ich empfehle dir, dieses Zitat noch einmal zu lesen und tief in dich eindringen zu lassen. Je mehr ich über dieses Zitat nachsinne, bewegt es mein Herz zunehmend und immer mehr kann ich es bejahen. Da steckt eine ganz tiefe Weisheit drin.

Und dennoch fällt es mir sehr schwer im Trubel des Alltags regelmäßig in die Stille zu kommen. Genau deswegen schreibe ich diese Zeilen für mich, um mir das wieder ins Bewusstsein zu rufen. Dr. Johannes Hartl antwortete auf die Frage, wozu wir Stille brauchen, folgendes: „In der Stille werden wir mit dem konfrontiert, was wirklich da ist und das Davonlaufen wird schwieriger. Deswegen ist Stille für jeden wichtig.“

Jesus ging oft in die Stille, zog sich zurück auf einen Berg (hier scheint ein göttliches Prinzip zu gelten) und hatte Stille mit und vor seinem Vater. Wenn es für Jesus so hilfreich war und scheinbar lebensnotwendig zu sein schien, dann glaube ich, dass für mich bzw. uns alle das gleiche gilt. In der Stille liegt eine unglaubliche Kraft. Eine Kraft, die Berge versetzen, Kranke heilen und sogar Tote auferwecken kann. Jesus lebt uns vor, was Stille bedeutet. Ein Jesus, der immer Leute um sich rum hatte und überall wo er hinkam, belagert wurde, suchte seine Kraft in der Stille vor Gott.

Ich möchte mich und euch herausfordern und ermutigen, aktiv die Stille zu suchen. Zurückziehen. Bewusste Zeiten der Stille einbauen. Wenn es hilft Rituale schaffen, die einen täglich daran erinnern. Vielleicht erst ein paar Minuten, dann 10 Minuten, dann eine halbe Stunde und zu guter Letzt vielleicht sogar täglich eine Stunde. Außer du hast viel zu tun, dann nimm dir zwei.

Liebe Grüße und Gottes Segen dabei!

Tim Probsthain

Manchmal bin ich von mir enttäuscht. Nicht unbedingt wegen dem, was ich getan habe, sondern wegen dem, was ich nicht getan habe. Was hätte ich in meinem Leben nicht schon machen oder erreichen können. Ich wäre gern sportlicher und hätte gern einen muskulösen Körperbau. Vielleicht wäre ich beruflich erfolgreicher, wenn ich studiert hätte. Ich möchte in mancher Hinsicht gerne herausstechen und nicht einfach normal sein. Ich möchte mich charmant und wortgewandt an einem Gespräch beteiligen. Doch dann drücke ich mich umständlich und kompliziert aus.

Hin und wieder mach ich mir in einer ruhigen Minute Gedanken, was für ein Vater ich bin. Ich wurde mal als geduldiger Mensch bezeichnet, jedoch habe ich bei den Kindern die Grenzen der Geduld schon häufig weit überschritten.

Wie bin ich als Ehemann in der Beziehung zu meiner Frau?

Wenn gewisse Ding zu tun sind, muss man mich nicht alle halbe Jahre wieder daran erinnern, oder?

Nein, im Ernst. Es gibt Dinge, die ich nicht getan habe und im Nachhinein lieber getan hätte. Oder ich habe nichts gesagt, als es dran war etwas zu sagen.

Auch in der Beziehung zu Eltern oder Freunden gibt es diese Enttäuschung. Es kommen Gedanken des Versagens auf. Ich wäre manchmal gern ein anderer Mensch, der nie etwas Falsches sagt oder tut. Einfach perfekt.

Das Wort Perfekt bedeutet auch Vollendet. Etwas Perfektes ist abschlossen und muss nicht mehr verändert werden. Solange ich jedoch Mensch bin, bin ich nicht vollendet oder perfekt. Es gibt noch Raum für Veränderung.

Auch im Leben als Christ erlebe ich Enttäuschung und Versagen. Es sollte meiner Vorstellung nach anders sein. Lebendiger, kraftvoller, gnädiger. Die Liste könnte ich mühelos noch um viele Punkte erweitern. Der Wunsch nach einem erfüllten und ansteckenden Leben als Christ hat sich nicht so erfüllt, wie ich es mir mal vorgestellt habe.

In Galater 4,19 sagt Paulus: “… bis Christus in eurem Leben Gestalt annimmt.“ Es geht Jesus scheinbar nicht darum, dass ich ein perfekter Nachfolger bin, sondern darum, dass ich bereit bin mich von ihm Stück für Stück verändern zu lassen. Das sind keine neuen Gedanken, die ich mir zum ersten Mal mache. Ich muss mich jedoch immer wieder daran erinnern und es mir vor Augen führen, was das für mich bedeutet und wie ich es in meinem Leben umsetzen kann.

In Kolosser 3,17 heißt es: Und alles, was auch immer ihr tut oder sagt, soll im Namen von Jesus, dem Herrn, geschehen.

Alles, was ich tue und sage soll im Namen von Jesus sein. Dieser Gedanke fordert mich immer mehr heraus, um so länger ich darüber nachdenke. Alles!

Unser Leben besteht aus vielen verschiedenen Bereichen, z. B. Beziehungen, Beruf, Freizeit, Finanzen, geistliches Leben, usw. Die Dinge sind je nach Menschen und Lebenssituationen unterschiedlich. Diese Dinge sind Teile des Lebens und man könnte sie als Kuchendiagramm darstellen, die gemeinsam den vollen Kreis des Lebens zeigen. Ich habe so ein Diagramm in einem Buch gefunden, das ich dieses Jahr im Urlaub zu lesen begann. Die einzelnen Inhalte des Lebens liegen als ‚Kuchenstücke‘ nebeneinander. Und genau diese Wahrnehmung hatte ich manchmal von meinem Leben. Mein geistliches Leben liegt neben den anderen Dingen meines Lebens. Und das fühlt sich für mich nicht richtig an. Ich möchte, dass mein geistliches Leben in allen Lebensbereichen vorhanden ist. Ein besseres Bild, wie ich mir mein Leben vorstelle, ist ein Wagenrad, bei dem das äußere Laufrad das Reich Gottes ist und die anderen Dinge meines Lebens die Speichen des Rades. Somit ist alles mit dem geistlichen Leben verbunden. Dieses Bild ist ein Beispiel für den Vers (Kol. 3,17).

Vielleicht kommen dir diese Gedanken bekannt vor oder du hast ein ähnliches Gefühl in deinem Leben. Dann lass uns gemeinsam neue Wege finden, wie es anders werden kann.

Einige Ideen, wie das praktisch aussehen kann, alles im Namen Jesu zu tun und sagen, können dir vielleicht helfen.

Was tust du als erstes, wenn du morgens wach wirst? Was würde es für dich bedeuten im Namen Jesu aufzuwachen? Sagst du deinem Smartphone als erstes ‚Guten Morgen‘? Wie wäre es mit einem kurzen Gebet, bei dem du Jesus begrüßt?

An dieser Stelle erinnere ich mich an Hans-Peter Royer, der ein Buch mit dem Titel ‚Nach dem Amen bete weiter‘ geschrieben hat. Ich durfte ihn bei einem Bibelseminar kennenlernen. Er erzählte, wie er mit Jesus Kaffee trinken geht und sich mit ihm unterhält, wie mit einem guten Freund. Das Gebet mit Jesus hörte nicht nach dem Amen auf.

Jesus im Laufe des Tages immer wieder anzusprechen und ihm alle Dinge zu sagen, die dir auf dem Herzen liegen – auch die Kleinigkeiten. Ich wünsche dir eine Natürlichkeit – eine Selbstverständlichkeit des Glaubens, die unabhängig von der Situation ist.

Jeder Augenblick ist eine Chance im Namen Jesu zu leben und von ihm zu lernen, wie wir im Reich Gottes Leben können. Versuche Gewohnheiten zu entwickeln, im Laufe des Tages die Gedanken durch Gebet auf Gott auszurichten. Ich denke, dass du an vielen Stellen merken wirst, wie deine Gedanken sich mehr um Gottes Reich drehen werden und weniger um dich.

Manchmal bin ich von mir enttäuscht. Und dann fällt mir ein, dass Jesus mich liebt und annimmt, so wie ich bin. Das tut gut.

V. Goosen

Wer wünscht sich das nicht?

Entlastung im täglichen Leben

-in der Küche, im Auto, im Büro, beim Mutter- und Vatersein, im Alter, im Herzen, in den Gedanken, im Rückblick, im Ausblick, im ….
Die Bundesregierung schnürt Entlastungspakete um die Bürgerinnen und Bürger zu entlasten bei steigenden Kosten.
Mit Bürgergeld, Wohngeld, Gas- und Strompreisbremse sowie Pendlerpauschale
„Wir entlasten Deutschland“ tönt es in den Zeitungen und Nachrichten. Dabei geht es hauptsächlich um finanzielle Entlastung von fast 300 Milliarden Euro derzeit.
Es hat weitreichende Konsequenzen wenn diese Entlastungspakete nicht geschnürt werden. Nicht nur auf den Ausgang der nächsten Wahl, sondern auch in der Haltung der Menschen nicht genug zu haben, nicht versorgt zu sein, ungerecht behandelt worden zu sein.
Unsere Regierung nimmt sehr viel Geld in die Hand um für Entlastung zu sorgen. Täte Sie es nicht, sähe unsere Gesellschaft anders aus. Ärmer, gespaltener, einsamer, kränker, …..?
Entlastung hat viele Facetten. Wie oben beschrieben kann Entlastung auf finanzieller Ebene geschehen, aber auch auf körperlicher Ebene kann Entlastung so manche Blockaden lösen und zu mehr Beweglichkeit führen. Wer will das nicht?
Für eigene Entlastung sorgen. Ich persönlich habe die Tendenz mir zu viel Aufzuladen. Beim Ausräumen des Autos oder dem Tragen von leeren Flaschen in den Keller. Das führt dazu, dass die Körperspannung bis in die letzte Muskelregion, auf ein Höchstmaß ansteigt. Die Aktivierung von neuen Muskelregionen kann eine belebende Erfahrung sein. Kann aber bei übermäßigem Ausleben zu Blockaden und Überlastung führen.
Wer kennt es nicht? Körperliche Überlastungssignale nach einer Umzugshilfe. Nach dem Motto: „Ich schaff das schon“ tragen wir die Waschmaschine mit bloßen Händen die Treppen hinunter oder ein sperriges Sofa einige Stockwerke nach oben. Der Tag danach hat dann seinen ganz eigenen Charakter. Je nachdem wo und wie es zwickt und zwackt. Mit Eisbeutel, Magnesium und Wärmebehandlung versuchen wir dann unseren Schmerz zu lindern. Vielleicht kommt dann noch eine Verhaltenstherapie in unserer Paarbeziehung dazu. Ich belasse es mal dabei. Jeder von euch wird da so seine Erfahrung gesammelt und seine Schlüsse gezogen haben beim nächsten Mal vielleicht auf die einen oder anderen Hilfsmittel zurück zugreifen oder das Motto: „Ich schaff das schon“ etwas genauer zu beleuchten. Möglicherweise kann daraus ein „Wir schaffen das schon“ werden „Ich schaffe das nicht mehr“. Die Entlastung der Gemeinsamkeit und Verbundenheit zulassen. Ich muss nicht alles sofort und alleine schaffen. Oder die Aussage „Du schaffst das schon“ kann uns eine unerträgliche Last aufbürden. Die Erfüllung von Erwartungen unserer Mitmenschen kann uns in eine Enge führen. Wo bleibe ich in diesem Moment? Was schaffe ich, was will ich schaffen? Was darf ich schaffen? Was darf ich liegen lassen, nicht alles in Ordnung halten. Dies kann für Entlastung sorgen wenn ich meine inneren Sätze „auf den Tisch“ lege und darüber nachdenke und vielleicht sogar mit vertrauten Menschen besprechen kann. Die Frage ist: „Wo ist die Last?“ Wo sind meine sensiblen Stellen? An welcher Stelle kippt meine innere Balance in Mühe, Unzufriedenheit, in Traurigkeit, in Zweifel, in Hochmut, in Schuldgefühle, in Bitterkeit, in Einsamkeit? Wo spüre ich die Last des Lebens am stärksten? Was sind die Dinge/Situationen die mir die Freude nehmen? Das heißt natürlich nicht, dass ich immer sprudelnde Freude haben müsste. Auch das kann eine Last sein, spätestens wenn es immer zu geschehen hat. Was engt mich ein? Die Aussagen anderer die ich fraglos übernommen habe? Sind es Botschaften die ich an mich richte? „Du bist schlampig“ „Der Klügere gibt nach“ „Ohne Fleiß kein Preis“ „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen“ „Ich sollte meinen Eltern gehorsam sein“ „Ich sollte Rücksicht nehmen“ „Ich sollte nicht stolz sein“ „Ich sollte nichts sagen was die Harmonie stört“
Hinter jedem der o. g. Botschaften steckt offensichtlich oder versteckt ein „Ich sollte/müsste“. In diesen Botschaften steckt das Potential einer Überlastung versteckt. Meist wird der Satz „Der Klügere gibt nach“ von Eltern an ihre Kinder gerichtet. Ich persönlich hoffe, dass in diesen Momenten, dass eine oder andere Kind nicht klug sein möchte. Es gibt genügend Momente Menschen ganz klar Grenzen zu setzen und nicht nachzugeben im Sinne von schweigen und zurück haltend sein. Prüft selbst wohin es führt wenn diese Botschaft uns und unser Miteinander immer leitet.
Entlastung kannst du erleben wenn aus dem „Ich sollte nachgeben, fleißig sein, usw.“ ein „Ich will nachgeben, fleißig sein, usw.“ wird. Ergibt es für mich Sinn immer nachgeben zu müssen, fleißig sein zu müssen. Wenn ich darin keinen Sinn sehe werde ich über kurz oder lang unter der Last der Leere leiden.
Entlastung im Gemeindeleben
Wie können wir Entlastung in unserer Gemeinde praktisch erleben und auch in die Gesellschaft weiter tragen?
Mir kommen bei diesem Thema einige Bibelstellen in den Sinn die sich mir aufdrängen:
„Kommet her zu mir alle die ihr mühselig und beladen sein. Ich will euch erquicken“ Matth. 11, 28
„Selig der Mensch, dem der HERR die Schuld nicht zur Last legt“ Ps. 32, 2
Gott steht eindeutig dafür, dass Entlastung geschieht. Der rote Faden des Planes Gottes mit dem Menschen hat mit Entlastung zu tun.
Zum anderen zitieren wir gut und gerne den Vers, dass Jesus uns ruft zu kommen wenn wir mühselig und beladen sind. Er will der Adressat sein für unsere Lasten. Transportieren statt deponieren.
Es macht einen Unterschied ob wir die Lasten unseres Lebens bei uns deponieren oder ob wir diese transportieren. Das Angebot Jesu steht im Raum. So wie ich Jesus kenne wird Jesus sich uns nicht aufdrängen und uns mal eben entlasten. Er lässt uns in unseren o. g. Botschaften und Haltungen zueinander leben. Diese Freiheit gönnt er uns. Er setzt auf unsere Verantwortung entlastend damit umzugehen. In diesem Vers werden wir eingeladen diese Lasten zu Jesus zu bringen, in Worte zu fassen und auszusprechen. Damit nicht allein dazu sein. Eine Einladung an alle Mütter und Väter, alle älteren Menschen die mit Gebrechlichkeiten des Lebens täglich konfrontiert sein. Auch die nach dem Sinn fragenden jungen wie älteren Menschen sind eingeladen die Last der Leere im Gebet und Aussprache Jesus vor die Füße zu „schmeißen“. Auch die Last der Entscheidung, bei so vielen Möglichkeiten der Berufswahl, hat in Jesus einen behutsamen Adressaten der den Druck raus nimmt die ultimativ richtige Entscheidung treffen zu müssen. Zu guter Letzt die Entscheidung für eine Partnerin- einem Partner ist bei Jesus gut aufgehoben. Die Aussprache ganz alleine im Gebet vor Jesus kann die Hemmungen der Scham reduzieren Worte dafür zu finden. Wer das schonmal erlebt hat wird wissen, dass der innere Druck deutlich abnimmt. Es fühlt sich leichter und gelassener an. Wenn ich noch kurz näher auf die Last, die Jesus hier anspricht, eingehen darf, ist die Last gemeint die die Gesetzeslehrer mit ihren vielen Geboten und Forderungen an die Nachfolger Jesu gerichtet haben. Die Menschen haben unter dem Joch der Forderungen der religiösen Elite gelitten. „Unzählige“ Gesetzestexte wurden dafür verfasst um die Menschen zu unterjochen. Eine Gemeinschaft kann unter solchen Umständen zu einer großen Last für den Einzelnen werden. Wenn wir uns in einem „schneller, höher und weiter“ zu Höchstleistungen drillen. Meine Erfahrung ist, dass es nicht offen angesprochen wird, aber unter dem Deckmantel des Glaubens dieser Wettbewerb durchaus spürbar ist. Das kann sich im Gottesdienst, in der Kommunikation und Haltung zu einander zeigen. Kennt ihr das? Vielleicht von anderen Gemeinden? An welchen Stellen können wir für Entlastung sorgen? Wie sieht ein Mensch aus, der Entlastung benötigt? Welche Haltung zueinander kann entlasten? Wir können als Nachfolger Jesu den Raum anbieten, dass Lasten im Gespräch mit einem offenen Ohr transportiert werden und Menschen Entlastung erleben. Dazu kann es hilfreich sein, dass ich mir beispielsweise nach dem Gottesdienst vornehme auf einen Menschen zuzugehen und ihn frage womit er sich gerade beschäftig, wo er Sorgen hat, was gerade leicht oder was schwer ist. Einfach nur zuhören, Verständnis zeigen, Mitfühlen ohne ein „Du sollst“, „Mach mal das oder jenes“. Es geht hier darum sich auf eine Stufe mit den Menschen zu stellen was auch der Wirklichkeit entspricht. Ich wage es mal zu behaupten, dass jeder Gepäck mit sich herumschleppt und es Lasten gibt, die du auf gar keinen Fall alleine schleppen solltest. Um das zu entdecken brauchen wir einander. Damit auf ein entlastendes Gemeindeleben in all seinen Farben und Facetten.
Benno Driesner

Am 14. Mai ist Muttertag.

Laut Wikipedia hat er sich seit 1914 als Tag zur Ehren der Mutter und Mutterschaft etabliert, findet seinen Ursprung jedoch bereits im antiken Griechenland und bei den Römern. In seiner heutigen Form wurde er in zahlreichen Frauenbewegungen und –vereinen geprägt. Sie dienten zum Austausch untereinander, setzten sich für Friedensprojekte wie auch Frauenrechte ein.

Als Begründerin gilt eine amerikanische Methodistin, die im Gedenken an ihre verstorbene Mutter ihre Kirche dazu drängte, allen Müttern am zweiten Mai-Sonntag eine Andacht zu widmen und 500 weiße Nelken zu verteilen (1908). Allerdings hat sie die Kommerzialisierung nicht im Sinn gehabt und sich vom Feiertag abgewendet.

Doch – was ist eine Mutter und was macht sie aus?

Bleiben wir bei Wikipedia – Mutterschaft unterscheidet sich in drei Aspekte: biologische (Eizelle), rechtliche (in Deutschland: Frau, die das Kind geboren hat) und soziale Elternschaft.

Bei der sozialen Mutterschaft wird einem Kind Mutterliebe entgegengebracht und beinhaltet meist auch die Pflege und Erziehung des Kindes. Die Rolle der sozialen und biologischen Mutterschaft muss hierbei nicht zwingend von derselben Person übernommen werden (z.B. Patchworkfamilie, Adoption, Erziehung durch die Großmutter).

Auch in der Bibel finden wir das ein oder andere, z.B. mehrere Anweisungen für christliche Mütter:

24/7 Bereitschaftsdienst

Und diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollst du zu Herzen nehmen und sollst sie deinen Kindern einschärfen und davon reden, wenn du in deinem Hause sitzt oder unterwegs bist, wenn du dich niederlegst oder schläfst. (5. Mose 6,6-7)

Engagement

Ihr Väter, reizt eure Kinder nicht zum Zorn, sondern erzieht sie in der Zucht und Weisung des Herrn! (Epheser 6,4)

Lehramt

Er hat mit Israel einen Bund geschlossen, den Nachkommen Jakobs seine Weisungen gegeben. Er hat unseren Vorfahren befohlen, ihren Kindern davon zu erzählen, damit auch die folgende Generation es erfährt, die Kinder, die noch geboren werden. Und wenn sie selbst Eltern geworden sind, sollen sie es weitergeben an ihre Kinder. (Psalm 78,5-6)

Denkt an den Tag, als ihr am Berg Horeb vor dem Herrn, eurem Gott, gestanden habt. Der Herr hatte zu mir gesagt: »Rufe das ganze Volk zusammen! Sie sollen hören, was ich ihnen zu sagen habe, und sollen lernen, mich und meine Weisungen ernst zu nehmen, die ganze Zeit, die sie in ihrem Land leben. Sie sollen auch ihre Kinder dazu anhalten… (5. Mose 4,10)

Life-Coach

Bring einem Kind am Anfang seines Lebens gute Gewohnheiten bei, es wird sie auch im Alter nicht vergessen. (Sprüche 22,6)

Wir haben mancherlei Gaben nach der Gnade, die uns gegeben ist. Hat jemand prophetische Rede, so übe er sie dem Glauben gemäß. Hat jemand ein Amt, so versehe er dies Amt. Ist jemand Lehrer, so lehre er. Hat jemand die Gabe, zu ermahnen und zu trösten, so ermahne und tröste er. Wer gibt, gebe mit lauterem Sinn. Wer leitet, tue es mit Eifer. Wer Barmherzigkeit übt, tue es mit Freude. (Römer 12,6-8)

Aufsichtsperson

Und da habt ihr schon die ermutigenden Worte vergessen, die Gott an euch, seine Kinder, gerichtet hat: »Nimm es an, mein Sohn, wenn der Herr dich hart anfasst! Verlier nicht den Mut, wenn er dich schlägt! Denn wen der Herr liebt, den erzieht er mit Strenge; und wen er als seinen Sohn annimmt, dem gibt er auch Schläge. (Hebräer 12,5-6)

Erzieh deine Kinder mit Strenge, dann kannst du Hoffnung für sie haben; lass sie nicht in ihr Verderben laufen. (Sprüche 19,18)

Kinder neigen zu Dummheiten; strenge Erziehung wird sie davon heilen. (Sprüche 22,15)

Erziehe deinen Sohn mit Strenge, dann wird er für dich zur Quelle der Zufriedenheit und Freude. (Sprüche 29,17)

Pflegedienst

Seid freundlich und hilfsbereit zueinander und vergebt euch gegenseitig, was ihr einander angetan habt, so wie Gott euch durch Christus vergeben hat, was ihr ihm angetan habt. (Epheser 4,32)

Der Geist Gottes dagegen lässt als Frucht eine Fülle von Gutem wachsen, nämlich: Liebe, Freude und Frieden, Geduld, Freundlichkeit und Güte, Treue (Galater 5,22)

Euch allen schließlich sage ich: Haltet in derselben Gesinnung zusammen und habt Mitgefühl füreinander! Liebt euch gegenseitig als Brüder und Schwestern! Seid gütig und zuvorkommend zueinander! Vergeltet Böses nicht mit Bösem, und gebt Beleidigungen nicht wieder zurück! Im Gegenteil, segnet eure Beleidiger, denn Gott hat euch dazu berufen, seinen Segen zu empfangen. (1. Petrus3,8-9)

Vorbild durch Integrität

Ihr wisst ja selbst, dass ihr auch darin unserem Beispiel folgen sollt. Denn wir haben uns nicht vor der Arbeit gedrückt, als wir bei euch waren. (2. Thessalonicher 3,7)

Nehmt also Gott zum Vorbild! Ihr seid doch seine geliebten Kinder! Euer ganzes Leben soll von der Liebe bestimmt sein. Denkt daran, wie Christus uns geliebt und sein Leben für uns gegeben hat, als eine Opfergabe, an der Gott Gefallen hatte. (Epheser 5,1-2)

Gut, einiges dürfen (und sollten) wir heute nicht mehr wörtlich nehmen; andere Zeiten, andere Sitten halt. Aber mir fällt auf, dass die Worte sich nicht nur an die Mutter richten. Es werden alle angesprochen, sich um Erziehung der Kinder und Nachkommen zu kümmern.

Und auch ich habe für mich festgestellt: Wo wäre ich ohne meinen Partner, meine Eltern, Geschwister, Freunde, die mir mit Rat und Tat (manchmal auch ungefragt) zur Seite standen und mich unterstützten. Ich für meinen Teil bin sehr dankbar für diesen Pool an Helfern.

Deshalb möchte ich die Mutterschaft gerne ausweiten auf Elternschaft.

Wieder eine Begriffserläuterung von Wikipedia – Elternschaft: Im allgemeinen Sinne bezeichnet sie die Gesamtheit derjenigen Elternteile, deren Kinder gemeinsam beispielsweise einen Kindergarten oder eine Schule besuchen, oder die in einem Elternverein organisiert sind: Sie verbindet ihre jeweils gemeinsame Interessenlage an ihren Kindern. Die Elternschaft wirkt über Elternvertretungen an pädagogischen Einrichtungen mit; für sie gibt es auch Elternsprechtage.

Naja, passt doch: eine Gemeinschaft, die durch ihre gemeinsame Interessenlage an ihren Kindern verbunden ist.

Das Gute ist: wir können unsere Gemeinschaft noch ein wenig ausweiten – auf unseren fürsorgenden Vater, der weiß, welche Hilfe wir brauchen, wann Trost, wann Strenge, wann Weisung oder Führung. Auf IHN dürfen wir vertrauen und uns sicher fühlen – als Kind, als Mutter, als kranker oder alter Mensch. Wir sind alle seine Kinder, eine Familie im Herrn.

DANKE an alle „Mütter und Väter“ im Herzen und in der Tat – nicht nur am Muttertag, aber dann ganz besonders und offiziell 🙂

Lilia Janzen

Am Ostersonntag, so berichtet der Evangelist Lukas, gingen zwei nicht namentliche genannten Jünger aus Jerusalem nach Emmaus. Sie unterhielten sich erregt über die unglaublichen und verstörenden Ereignisse der vorangegangenen Woche. Jesus hat im Vorfeld des Passa-Festes für Aufsehen gesorgt. Er wurde gefangen genommen, und im Schnellverfahren gerichtet, verurteilt und am Kreuz hingerichtet, damit die Festlichkeiten am Sabbat nicht gestört wurden.

Die Jünger hatten das Passa-Fest in hilfloser Trauer verbracht. Allein gelassen, ihrer Hoffnungen beraubt, enttäuscht. Und während sie noch im Schockzustand waren, kamen die unglaublichen Nachrichten, dass Jesus nicht im Grab geblieben ist. Zuerst sahen den Auferstandenen die Frauen, dann die Jünger. Sie erzählten es weiter, aber kaum jemand konnte das glauben.

Auch die beiden Emmaus-Jünger haben das gehört und auf ihrem Weg versuchten sie, das Erlebte im Gespräch zu sortieren, als Jesus sich zu ihnen gesellte. Sie erkannten ihn nicht, nahmen ihn aber in ihre Gespräche mit hinein. Und im Verlauf des Gespräches heißt es:

Da sagte Jesus zu ihnen: »Was seid ihr doch schwer von Begriff! Warum rafft ihr euch nicht endlich auf zu glauben, was die Propheten gesagt haben? Musste der versprochene Retter nicht dies alles erleiden und auf diesem Weg zu seiner Herrschaft gelangen?« (Lukas 24,25-26)

Musste es so kommen?

Als Schüler in der ehemaligen Sowjetunion wurde mir im Geschichtsunterricht beigebracht, dass Weltgeschichte einer zwangsläufigen Entwicklung unterliegt. Nach den Zeiten von Herren und Sklaven kommt das Feudalsystem mit Leibeigenen. Dieses wird abgelöst durch das kapitalistische System mit der Bourgeoisie und der Arbeiter- und Bauernklasse. Der Sozialismus überwindet dieses System und führt schließlich zum Kommunismus, in der alle Menschen gleich sind und jeder glücklich ist. Wir müssten nur fest daran glauben und alles Mögliche dafür tun, damit das wahr wird.

Diese Entwicklung sei unaufhaltsam und würde am Ende zu einer kommunistischen Welt führen, erzählten die Lehrer. Eine Heilsgeschichte ohne Gott, unausweichlich wie ein Naturereignis. Ich erinnere mich noch gut daran, dass ich große Zweifel hatte, ob Geschichte solchen Zwängen unterliegt. Geschichte ist keineswegs eine unaufhaltsame Entwicklung zum Besseren.

Es musste so kommen!

Bei den Emmaus-Jüngern war grade eine Vision von einer Zukunft mit Jesus zusammengebrochen. Ihre Geschichte schien zu Ende. Nun erzählt ihnen Jesus, dass das, was sie erlebt hatten, genauso passieren musste. Der Retter musste leiden, er musste sterben.

Bei mir regen sich hier die gleichen Zweifel und Fragen wie in der sozialistischen Geschichtserziehung: Musste das wirklich so sein? Gott ist doch Gott! Hätte er nicht auch andere Wege zur Rettung der Menschen gehabt? Woher kommt dieses Müssen?

Ostern musste so kommen, nicht weil es ein Naturgesetz ist. Ostern musste so kommen, weil Gott es so wollte. Dieses Müssen unterliegt nicht äußeren Zwängen, sondern dem Wesen Gottes selbst. Es musste so kommen, weil Gott sich selbst treu ist. Er steht zu seinem Wort.

Jesus war dem so verpflichtet, dass er diesen Weg freiwillig gegangen ist. Er betete darum, dass ihm dieser Weg erspart bleibt. Und gleichzeitig wusste er, dass dieses Gebet nicht erhört wird. Aber er ging den Weg ans Kreuz nicht mit dem Gedanken: „Ich muss, ich habe keine andere Wahl!“. Er ging ihn mit dem Gedanken: „Ich will, dass Gottes Wille geschieht!“

Es musste so kommen. Aber Jesus handelte nicht aus dem Müssen!

Ich muss gar nichts!

Das Geschehen an Ostern befreit uns von den Zwängen der Todeslogik. Der Tod ist besiegt, und wir sind frei von der Angst vor dem Tod. Weil es „so kommen musste“, müssen wir nichts mehr. Wir dürfen nur noch!

Auch wenn die ganze Welt Angst vor dem Tod haben sollte – ich muss es nicht!

Auch wenn die ganze Gesellschaft nur an sich denken sollte – ich muss es nicht!

Auch wenn alle um mich herum sich über Leistung definieren – ich muss es nicht!

Auch wenn alle sich Sorgen machen – ich muss es nicht!

Ich möchte eine kleine Übung für die Osterzeit anregen: Beobachte deine Worte und Gedanken und notiere dir, wo du „Ich muss …“ sagst. Und dann überlege, ob du an die Sache nicht auch mit einer anderen Einstellung herangehen kannst. Vielleicht wird Ostern dann in deinem Alltag ein bisschen lebendiger.

Frohe und gesegnete Ostertage!

Heinrich Esau

Der Mensch bindet sich und wird gebunden. Wir sind allesamt soziale Wesen mit vielen Bedürfnissen, die in uns hinein gelegt sind. Auf der Suche nach dem Stillen unserer Bedürfnisse binden wir uns. Das Gebundensein kann hilfreich sein oder auch das Leben belasten. Beim Letzteren denken wir zwangsläufig an das Gebundensein in Süchten unterschiedlicher Art, an belastete Beziehungen, an Gedankenspiralen, die uns emotional herunterziehen und einiges mehr.

Wir wissen, dass es auch ein hilfreiches Gebundensein gibt. Eine Bindung, die uns Sicherheit gibt. Sie beginnt bereits im Mutterleib. Aus dem Bereich der Forschung erreichen uns Erkenntnisse, dass die emotionale Lage der werdenden Mütter das ungeborene Leben beeinflusst. Folgerichtig ist es erstrebenswert, dass die schwangere Frau für ihr eigenes Wohlbefinden sorgt. Damit erweist sie auch dem Ungeborenen einen guten Dienst.

Nach der Geburt beginnt das erste so wichtige Jahr des Lebens. Die Art der Bindung, die hier zwischen Kind und der ersten Bezugsperson (meistens ist es die Mutter) entsteht, beeinflusst das ganze Leben des Menschen – so der aktuelle Forschungsstand. Wer hier eine sichere Bindung erlebt, hat eine wichtige Grundlage für die Herausforderungen des Lebens mit auf den Weg bekommen.

Das Kind selbst hat keinen Einfluss darauf, ob es eine sichere Bindung erhält. Es hängt alles von der erwachsenen Bezugsperson ab. In den meisten Fällen ist es die Mutter. Ihr Verhalten gegenüber dem neugeborenen Kind hat eine große Bedeutung. Allen werdenden Müttern, bei denen dieser Satz Angst vor einer so großen Verantwortung auslöst, sei gesagt, dass sie allen Grund haben, zuversichtlich zu sein. Um einem neugeborenen Kind eine sichere Bindung zu geben, braucht es kein psychologisches Studium. Die Mutter darf ihren natürlichen Impulsen vertrauen. Wenn das Kind weint, wird sie es auf den Arm nehmen, wenn es Hunger hat, wird sie es stillen. Da das Kind noch nicht sprechen kann, wird es stets weinen, wenn etwas fehlt und die Mutter wird den natürlichen Impuls haben, die Bedürfnisse des Kindes zu stillen. Die ständige Anwesenheit der Mutter und die unmittelbare Reaktion auf das Kind, gibt diesem Sicherheit. Es macht die wertvolle Erfahrung, dass es nicht allein ist.

Interessant ist, dass wir auch als erwachsene Menschen von diesem Sicherheitsgefühl leben. Wir leiden darunter, wenn wir es nicht haben. Ist es nicht da, fühlen wir uns verlassen.

Der Prophet Jesaja beschreibt es aufschlussreich. Da geht es dem Volk Israel nicht gut und es drückt ein kollektives Gefühl aus (Jesaja 49,14ff.): Verlassen hat mich der Herr, der Herr hat mich vergessen.

Gott antwortet: Vergisst etwa eine Frau ihren Säugling, dass sie sich nicht erbarmt über den Sohn ihres Leibes? Sollten selbst diese vergessen, ich werde dich niemals vergessen. Siehe, in meine beiden Handflächen habe ich dich eingezeichnet.

Ja – es passiert, dass Mütter und Väter für die neugeborenen Kinder nicht da sind und sie verlassen. Es gibt dramatische Lebensumstände, die solche Geschichten schreiben. Diese Kinder starten ins Leben mit einer schweren Hypothek.

Das Volk Israel hat dieses Gefühl in Bezug auf Gott, und es klagt Gott an. Im Unterschied zu Säuglingen, die sich nicht äußern können, geht es hier um erwachsene Menschen, die das Gefühl des Verlassenseins haben.

Gott antwortet auf diese Klage mit einer Zusicherung. Von ihm kommt der Mutter-Kind-Vergleich. Es ist zunächst undenkbar, dass eine Mutter ihr Kind verlässt. Und doch – es passiert. Gott sichert zu, dass es bei ihm nicht passieren kann und nicht passieren wird. Niemals wird er den Menschen, den er geschaffen hat, verlassen.

Ein neugeborenes Kind ist der Mutter ausgeliefert. Es hat keinen Einfluss darauf, ob die Mutter ihm eine sichere Bindung mit auf den Weg gibt oder nicht. So geht es uns auch mit Gott. Wir haben keinen Einfluss darauf, ob er uns sicher an sich bindet. Dieser Bindungsprozess befindet sich außerhalb unserer Möglichkeiten.

Gott verlangt uns ab, dass wir ihm dieses Versprechen glauben, ihm vertrauen. Auch dann, wenn es sich anders anfühlt. Mittlerweile wissen wir, dass wir im Leben nicht vor schwierigen Situationen bewahrt bleiben. Wir machen sie alle durch, in sehr unterschiedlicher Stärke und Weise, aber alle Menschen sind davon im Laufe des Lebens betroffen.

Mit Gott an unserer Seite dürfen wir uns dem Leben stellen. Nicht voller Angst vor den Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft, sondern voller Zuversicht, weil er da ist.

„Siehe, in meine beiden Handflächen habe ich dich eingezeichnet“. Meine Vorstellungskraft kommt an ihre Grenzen bei den vielen Milliarden von Menschen, die in den Handflächen Gottes Platz finden. Dennoch: Ich mag dieses Bild. Wir alle sind dort abgebildet. Nebeneinander, untereinander, aufeinander. Ein Gedanke entspring mir: Jeder Mensch dieser Welt könnte in Gottes Händen gleich neben mir abgebildet sein. In Gottes Händen könnten wir Nachbarn sein. Ein Grund mehr, mit allen Menschen den Frieden zu suchen.

Ich wünsche uns allen das Vertrauen in Gottes Versprechen, dass er da ist und uns sieht. Jeden Einzelnen. Du und ich – wir sind bei ihm sicher gebunden.

Hans Esau

Was kann uns scheiden von der Liebe Christi? Bedrängnis oder Not oder Verfolgung, Hunger oder Kälte, Gefahr oder Schwert?

Römer 8,35

Der Apostel Paulus formuliert in diesem Satz zwei Fragen. Eine Antwort gibt er jedoch nicht. Wer die Bibelstelle kennt, weiß, dass die Antwort im Kontext des Verses gegeben wird. Die Fragen haben es allerdings in sich! Deswegen lohnt es sich, dass wir zunächst die Spannung aushalten, bevor wir uns die Antwort sagen lassen.

Es sind Fragen, in denen sich ein existentielles Ringen ausspricht. Das Ringen um die Gewissheit, ob Gott in notvollen und entbehrungsreichen Lebenssituationen noch unverbrüchlich an unserer Seite steht. Sind wir noch in seiner Hand? Oder erweisen sich die biblischen Zusagen der Treue Gottes nicht doch als warme fromme Worte? Das sind sehr ernste Fragen, und nicht Wenige stellen sie sich.

Ich denke zum Beispiel an Menschen in der Ukraine, die zwischen zerbombten Häusern am eigenen Leib eine unselige Mischung von alldem erleben, was Paulus beschreibt: die Kälte des Winters; Schikane durch marodierende russische Soldaten; die ständige Gefahr, dass die Bombardierung wieder losgehen kann.

Ich denke an Menschen, die angesichts seelischer Bedrängnis nicht ein und aus wissen; an solche, die unter bedrohlichen Krankheiten leiden; an Christen, die in ihrer Heimat um ihr Leben fürchten müssen, wenn sie offen ihren Glauben bekennen. Sind diese Erfahrungen vielleicht doch stärker als Gott?

In solchen Situation genügt es nicht, einfach nur „Nein, sind sie nicht“ zu sagen. Es braucht schon ein bisschen mehr, um Zuversicht zu gewinnen.

Lassen wir uns die Antwort, die Paulus gibt, neu zusprechen: Gott ist für uns (V. 31). Er ist so für uns, dass er alles für uns gibt. Nämlich einen Teil von sich! Seinen Sohn Jesus Christus. Er geht für uns in die tiefste Not des Leidens, um dort ein göttliches Netz zu spannen, das uns auffängt, um eine unsichtbare Verbindung zwischen ihm und uns herzustellen, die stabiler ist als alle Anfechtungen und Zumutungen dieser Welt.

Dieser Weg Jesu ist Ausdruck einer Liebe, die sich voll und ganz hingibt. Er ist das Siegel, dass Gott endgültig und unverbrüchlich zu uns steht. Von nun an hat er einen letzten Anspruch auf unser Leben und sonst keine Macht der Welt. Nichts Geschaffenes ist stärker als der Schöpfer, die tragende Kraft, die uns unserem Ziel entgegen führt.

Auf diesem Hintergrund erklingt am Ende des Kapitel eine ergreifende Gewissheit, von der wir uns in diesem neuen Monat tragen lassen können:

„Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch irgendeine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn.“

Prof. Dr. Oliver Pilnei

Sara aber sagte:
Gott ließ mich lachen.

1. Mose 21,6

An Fasching und Karneval wird viel gelacht. Es ist lustig, sich zu verkleiden und mal ganz anders zu sein, als es der strenge Alltag erfordert. Es ist schön, in andere Rollen zu schlüpfen, und es tut gut, herzhaft über alles Mögliche zu lachen. Ja, dass wir lachen, ist wichtig für unsere körperliche und seelische Gesundheit. Aber noch wunderbarer ist unser Lachen, wenn wir etwas Befreiendes erlebt haben. Das ist das Lachen Saras nach der Geburt ihres Sohnes Isaak.
Endlich konnte Sara befreit auflachen. Die unglaubliche Verheißung, dass sie in ihrem hohen Alter noch einen Sohn gebärt, hat sich erfüllt. Und alle sind gesund: Der Sohn Isaak wird die Verheißung Gottes weitertragen in die Zukunft. Das ist ein ganz anderes Lachen als das verzweifelte und zynische Lachen ein Jahr vorher, als ihr zugesagt wurde, dass sie einen Sohn haben wird (Gen 18,12); ähnlich das verzagte Lachen Abrahams, als er die Verheißung des Sohnes aufnimmt (Gen 17,17). Es gelingt ihnen nicht, die Verheißung Gottes mit ihrer tragischen Lebenssituation zusammenzubringen: Sie sind alt und kinderlos und haben von daher keine Zukunft. Sie versuchen es noch mit ihrer Magd Hagar, die für Abraham ein Kind zur Welt bringt. Wenn man Gottes Verheißung ein wenig nachhilft, dann klappt es vielleicht. Aber das war es nicht, was Gott wollte. Schließlich bekommt Sara selbst ihren Sohn und nennt ihn „Isaak“: „er lacht“, weil sie nach seiner Geburt so befreit lachen kann.
Es gibt viele Arten des Lachens. Doch das befreite Lachen ist Gottes Lieblingslachen, das eben nicht auf Kosten anderer Menschen oder unserer selbst geht, sondern einfach die Freiheit und das Leben feiert. Letztlich wird sich Gottes Verheißung bewahrheiten. Seine Liebe und sein Frieden werden sich durchsetzen. Jetzt müssen wir noch Geduld haben, Gottes Evangelium hören und aufnehmen. Jetzt hinken unsere Erfahrungen noch der Verheißung hinterher; aber die Zeit kommt, da Gott alles erfüllt, das Dunkle verschwinden muss und alles nur noch Freude ist und Lachen. So schön, wenn dieses Lachen schon jetzt immer wieder mal in unserem Leben durchbricht.

Michael Kißkalt
von der Theologischen Hochschule Elstal

Gott sah alles an, was er gemacht hatte: Und siehe, es war sehr gut.

Genesis 1,31

Wir stehen am Anfang eines neuen Jahres – das Jahr 2023. Vor uns liegen noch unbeschriebene Monate, hinter uns das Neujahrsfest. Vielleicht auch dieses Jahr mit neuen Vorsätzen und neuen Hoffnungen: Wird jetzt alles besser?

„Gott sah alles an, was er gemacht hatte: Und siehe, es war sehr gut.“ Sehr gut?! In den Nachrichten über die Ereignisse in unserer Welt sehe ich oftmals etwas anderes. Da möchte ich manchmal schreien oder auch weinen aus Verzweiflung und Hilfslosigkeit. Und auch in meinem kleinen Alltag spüre ich Chaos, Ängste oder auch körperliche und seelische Schmerzen. Ist alles so, wie es ist „sehr gut“? Das bezweifle ich! Aber ich bin dankbar, trotz der vielen erschütternden Ereignisse dennoch Freude und Liebe erleben zu dürfen – diese kleinen und großen Lichtblicke, diese „sehr guten Momente“.

Der Schöpfungsbericht in Genesis 1 erzählt davon, wie Gott aus dem lebensfeindlichen Chaos, dem anfänglichen „Tohuwabohu“, ein geordnetes Ganzes erschafft. Seine Freude und Liebe an seiner Schöpfung wird dabei besonders deutlich: Nach jedem Schöpfungstag schaut er sich sein Werk an und bezeichnet es als gut.

In Genesis 1,31 schaut er sich seine Schöpfung im Gesamten an – er sieht sie und betitelt sie als „sehr gut“. Er schafft Himmel und Meer, Tag und Nacht, Pflanzen und Tiere und den Menschen, als sein Ebenbild. Und er sieht jeden einzelnen Aspekt seiner Schöpfung und nennt es sehr gut.

Gesundes Wachstum geschieht, wenn wir Dinge mit Liebe ansehen und behandeln. In der Schöpfung gibt Gott uns seinen Zuspruch und seine Annahme. Er hat uns aus Liebe erschaffen, er kennt uns und er sieht uns. Auch wenn die Situation heute nicht diesen „sehr guten Zustand“ in der Schöpfungsgeschichte widerspiegelt und so viele Fragen offen bleiben, so kann uns dieser Vers als Erinnerung dienen: Gott ist immer noch unser Schöpfer! Er sieht uns mit Liebe an, bei ihm sind wir angenommen!

Und vielleicht können auch wir dadurch unseren Blick wenden und uns auf die Liebe und das Gute in der Welt und in unserem Leben ausrichten. Vielleicht können die Menschen und die Umwelt, die uns anvertraut sind, sich auch unter unserem liebenden Blick gesund entfalten. Vielleicht dürfen wir die Momente, in denen wir die Schönheit und Liebe Gottes zu seiner Schöpfung spüren, noch bewusster wahrnehmen und benennen: Siehe, es war sehr gut!

Natürlich geht es nicht darum, so zu tun, als würde es das Leid und die Ungerechtigkeit nicht geben. Wir dürfen in unserer Ganzheit vor Gott kommen, auch mit dem, was weh tut. Wir dürfen klagen. Ich glaube, dass auch Gottes Herz über die Missstände dieser Welt, seiner Schöpfung, zerbricht. Vielleicht kann uns aber die Erinnerung und Zurückbesinnung auf diesen Ursprung, dem „sehr gut“ in der Schöpfungsgeschichte, neu Kraft und Sicherheit geben: Wir wurden in Liebe angesehen und dürfen so andere in Liebe ansehen. Lasst uns in diesem Sinne das Gute sehen und benennen und es auf diese Weise wachsen lassen.

Dana Sophie Jansen

(Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Theolog. Hochschule Elstal)

Das Kind in ihrem Bauch bewegte sich plötzlich. Sie spürte das Leben in sich, eigenständiges Leben. Das berührte sie so sanft, so intim und stand in solch einem Kontrast zu ihren Gefühlen, dass sie in Tränen ausbrach. Sie spürte Rührung und fast so etwas wie Ehrfurcht vor dem, was da in ihr heranwuchs. Sie spürte Wut auf ihr eigenes Leben, auf alle Menschen um sie herum. Sie spürte Zorn über die Ungerechtigkeit, die ihr widerfahren war. Sie spürte Scham, weil sie noch vor kurzem so entschlossen ihr Leben in die eigenen Hände nahm und jetzt nicht wirklich wusste, wie sie weitermachen sollte. Und sie spürte Schuld – gegenüber diesem Kind in ihr, das gar nicht ihr Kind sein sollte und von dem sie nicht wusste, ob sie es lieben oder hassen sollte. All diese Gefühle gingen ununterscheidbar ineinander über, bauten sich zu einer Flutwelle auf und brachen schließlich den Staudamm in ihr, den sie lange Jahre gebaut und sorgsam gepflegt hatte.

Sie wischte sich die Tränen aus den Augen, aber es kamen so viele, dass sie den Schleier nicht wegwischen konnte. Nur sehr unscharf nahm sie ihre Umgebung wahr. Da hörte sie einen Namen. Der Name kam ihr irgendwie vertraut vor und klang doch irgendwie fremd. Es dauerte endlose Augenblicke, bis sie realisierte, dass es ihr Name war. Wie lange hatte sie den nicht mehr gehört? Wer hatte ihn zuletzt ausgesprochen? Ihre Mutter bei der Verabschiedung, als sie an fremde Leute verkauft wurde? Hatte ihre Herrin sie irgendwann mal bei ihrem Namen genannt? Oder kannte sie ihn gar nicht?

„Hagar“ – gab es hier, an diesem einsamen Ort, einer der wenigen Wasserquellen auf dem weiten Weg durch die Negev-Wüste nach Ägypten, noch jemanden, der so hieß wie sie? Sie schaute sich durch ihren Tränenschleier um und sah die verschwommenen Umrisse eines Menschen, der anscheinend sein Gesicht ihr zugewandt hatte. Meint er mich? – fragte sie sich überrascht. „Hagar, Sarais Magd …“ Sie war ganz perplex. An diesem einsamen Ort, einer Zwischenstation ihrer Flucht, gab es jemanden, der nicht nur ihren Namen kannte, sondern auch sie selbst. „… wo kommst du her und wo willst du hin?“ Es dauerte, bis sie die Frage verstand. Das hatte sie auch noch niemand gefragt. Überhaupt hatte ihr noch nie jemand in ihrem Leben Fragen gestellt.

Sie wurde nicht gefragt, ob sie ihre Familie verlassen wollte, damals in Ägypten. Sie musste als Sklavin arbeiten, weil ihre ganze Familie schon immer eine Familie von Sklaven war. Sie wurde nicht gefragt, als sie weiterverkauft wurde – an einen Fremden, der sich nur kurz in Ägypten aufhielt und sie als Geschenk für seine Frau erwarb.

Sie wurde nicht gefragt, ob sie einverstanden war, als ihre Herrin auf den Gedanken kam, sie als Leihmutter zu benutzen. Sie wurde auch von Abraham, dem Mann ihrer Herrin, nicht gefragt, ob sie seine Zweitfrau werden wollte. Sie wurde nicht gefragt, wie sie sich in dieser seltsamen Dreiecksgeschichte fühlte – einerseits mit einem reichen Mann verheiratet zu sein und gleichzeitig weiter Sklavin seiner ersten Frau bleiben zu müssen.

„Wo kommst du her?“ – Selbst sie hat sich diese Frage nie in dieser Deutlichkeit gestellt. Es war eine gute Frage. Und so fing sie an zu erzählen. Sie vergaß ihre Hemmungen, sie vergaß das Unbehagen, dass sie den Menschen ja nicht wirklich kannte, der ihr diese Fragen stellte. Es war jemand da, der sich für sie interessierte und der zuhörte.

Und so erzählte sie ihre Geschichte, wie sie eingezwängt war in ein fremdes Leben. Sie erzählte von ihren Herren, Abraham und Sarai, die reich, aber verzweifelt kinderlos waren und alles für ein Kind machen würden. Sie erzählte davon, wie sie selbst für diesen Kinderwunsch benutzt wurde. Sie erzählte von ihren widersprüchlichen Gefühlen ihrem Kind gegenüber. Sie erzählte von der Hoffnung, die sie am Anfang ihrer Schwangerschaft hatte, dass sie durch das Kind mehr Würdigung und Achtung bekommen würde. Sie erzählte von der Enttäuschung über ihre Herrin Sarai, die zunehmend neidisch wurde und sie immer mehr demütigte. Sie erzählte von der Enttäuschung über Abraham, der sich für nicht zuständig erklärte und die ganze Verantwortung von sich wies. Sie erzählte von ihrer Überforderung, von ihrem Ausbruch und ihrer Flucht.

Als sie sich alles von der Seele geredet hatte, kam ihr langsam der zweite Teil der Frage ins Bewusstsein. „Wo willst du hin?“ – Sie musste sich eingestehen, dass sie es nicht wirklich wusste. Erstmal wollte sie nur weg. Aber wohin sollte sie sich nun wenden? Wo führte sie der Weg hin, den sie eingeschlagen hatte? Zurück nach Ägypten? Dort wartete keiner auf sie! Was sollte sie dort machen? Sich selbst wieder an jemanden verkaufen? Vielleicht an einen der Händler, die hier an der Oase vorbeikommen? Sie hatte sich darüber keine Gedanken gemacht und jetzt, wo sie gefragt wurde, stellte sie fest, dass sie keine guten Perspektiven kannte. Was sollte sie machen?

Der Mensch, mit dem sie redete, der sie kannte – sie war noch nie zuvor einem solchen Menschen begegne – das musste ein Engel Gottes sein! Vielleicht konnte er helfen? Und er konnte! Er erzählte ihr von Gottes Plänen mit ihr: Sie würde eine echte Mutter werden von ihrem eigenen Sohn und nicht nur eine Leihmutter. Er legte ihr nahe, wieder zurückzugehen zu Abraham und Sarai. Er schickte sie zwar zurück in ihr altes Leben aber es würde nicht alles beim Alten bleiben. Sie spürte, sie würde nicht als die frühere namenlose Magd, sondern als eigene Person, als Hagar, die Gott getroffen hat, zurückgehen. Sie würde nie mehr die Unbeachtete, Ungesehene sein, sondern die von Gott Angeschaute.

Hier, an dieser Oase, hatte der Engel Gottes sie auf ihrer ziellosen Flucht gefunden und ihr Leben verändert. „Du bist El Roï, der Gott, der mich anschaut“ – sagte sie und ging zurück. Zurück in eine immer noch verworrene Situation mit immer noch sehr komplizierten Beziehungen, von der sie immer noch nicht wusste, wie sie sie meistern würde. Sie wusste nur, dass Gott sie nicht aus den Augen lassen würde und dass sie eine eigene Zukunft haben würde.

Heinrich Esau