Stille

Stille – was bewirkt dieses Wort in genau diesem Moment in dir? Vielleicht ein Entsetzen? Ein Unverständnis? Frust? Sehnsucht? Versuche mal, dir jetzt ein bis zwei Minuten Zeit zu nehmen und einfach stille zu sein; keine Musik, keine Ablenkung, keine Gespräche, kein Tun…

Und nun? Wie geht es jetzt weiter? Diese Frage beschäftigt mich seit Anfang des Jahres, wenn ich an das Thema Stille denke. Stille ist bisher kein großer Teil meines Lebens gewesen, vermutlich sogar gar kein Thema – außer vielleicht beim Schlafen. Wobei auch da viele Nächte sehr laut und unruhig waren aufgrund von Dingen, die man in Träumen verarbeitet hat.

„Stille vor dir, mein Vater. Neue Stille vor dir suche ich, Herr. Stille vor dir, ich höre. Rühre mich an durch dein Wort“ ist ein ganz bekannter Chorus aus einem Lied. Für mich war Stille ein Abstraktum. Ich konnte damit überhaupt nichts anfangen. Immer beschäftigt sein, ein Macher. Dinge nach vorne treiben, anpacken. Das bestimmte mein Leben. In Zeiten körperlicher Herausforderungen durch zum Teil schwere Krankheiten kam ich an den Ort der Stille. Aber war es das? Musste ich immer körperlich „ausgeschaltet“ werden, um Ruhe und besonders Stille zu finden?

Zum Ende des vergangenen Jahres entschied ich mich für eine Woche in ein Kloster zu gehen. Ende Januar war es dann soweit. Ich begab mich auf den Weg in das Jesuitenkloster in Frankfurt in die sogenannte Zukunftswerkstatt. Dort lernte ich, der Stille zu begegnen, sie für mich zu nutzen und sie sogar lieb zu gewinnen.

Eine Geschichte aus dem Alten Testament hat mich während dieser Woche sehr beschäftigt und begleitet. Hier geht es um Elia. Bei Elia geht auch richtig die Post ab. Er führt ein sehr turbulentes und herausforderndes Leben. Stille kennt Elia kaum – so macht es den Anschein.

In 1. Könige 19 jedoch bemüht sich Gott um die Aufmerksamkeit von Elia. Ein heftiger Sturm zog auf, riesige Felsbrocken lösten sich aus dem Berg und wurden zerschmettert. Es muss ein gewaltiges Getöse gewesen sein, wenn Gesteinsmassen abgängig werden und ins Tal runter rauschen. „Doch der Herr war nicht in dem Sturm“ heißt es an der Stelle. Dann bebte die Erde, alles wackelte und Unruhe machte sich breit. „Aber auch im Erdbeben war der Herr nicht.“ Zu guter Letzt entfachte ein Feuer, eine sehr bedrohliche und angsteinflößende Situation, in der es buchstäblich um Leben und Tod geht. „Doch der Herr war nicht darin“ heißt es in Vers 12. Anschließend vernahm Elia ein stilles, sanftes Säuseln und er erkannte die Stimme des Herrn.

Das hat mich irgendwie fasziniert. In dieser Minute werden rund 30 Millionen Minuten Musik bei Spotify gehört. YouTube hat jeden Tag über 1 Milliarde aktive Nutzer und hier werden jede Minute rund 500 Stunden an neuem Videomaterial hochgeladen. Beschäftigt sein oder beschäftigt werden ist in unserer Zeit ein sehr großes Thema. Viel zu schwer schafft man (und hiermit meine ich eigentlich mich an erster Stelle), in die völlige Ruhe und Stille abzutauchen.

Die Zeit im Kloster, ganz ohne Medien, Smartphone, Telefonanrufe und E-Mails hat mich anfänglich sehr herausgefordert. Ich brauchte einige Tage, um in die Stille zu kommen, mich darauf einzulassen. Die Synonyme Sturm, Erdbeben und Feuer für das turbulente Leben legten sich von Tag zu Tag, von Stunde zu Stunde und ich vernahm das stille und sanfte Säuseln und ich hörte immer mehr Gottes Reden.

Ein Zitat von Franz von Sales bewegte mich sehr in diesen Tagen: „Nimm dir jeden Tag eine Stunde Stille vor Gott, außer du hast viel zu tun, dann nimm dir zwei!“ Wow! Ich empfehle dir, dieses Zitat noch einmal zu lesen und tief in dich eindringen zu lassen. Je mehr ich über dieses Zitat nachsinne, bewegt es mein Herz zunehmend und immer mehr kann ich es bejahen. Da steckt eine ganz tiefe Weisheit drin.

Und dennoch fällt es mir sehr schwer im Trubel des Alltags regelmäßig in die Stille zu kommen. Genau deswegen schreibe ich diese Zeilen für mich, um mir das wieder ins Bewusstsein zu rufen. Dr. Johannes Hartl antwortete auf die Frage, wozu wir Stille brauchen, folgendes: „In der Stille werden wir mit dem konfrontiert, was wirklich da ist und das Davonlaufen wird schwieriger. Deswegen ist Stille für jeden wichtig.“

Jesus ging oft in die Stille, zog sich zurück auf einen Berg (hier scheint ein göttliches Prinzip zu gelten) und hatte Stille mit und vor seinem Vater. Wenn es für Jesus so hilfreich war und scheinbar lebensnotwendig zu sein schien, dann glaube ich, dass für mich bzw. uns alle das gleiche gilt. In der Stille liegt eine unglaubliche Kraft. Eine Kraft, die Berge versetzen, Kranke heilen und sogar Tote auferwecken kann. Jesus lebt uns vor, was Stille bedeutet. Ein Jesus, der immer Leute um sich rum hatte und überall wo er hinkam, belagert wurde, suchte seine Kraft in der Stille vor Gott.

Ich möchte mich und euch herausfordern und ermutigen, aktiv die Stille zu suchen. Zurückziehen. Bewusste Zeiten der Stille einbauen. Wenn es hilft Rituale schaffen, die einen täglich daran erinnern. Vielleicht erst ein paar Minuten, dann 10 Minuten, dann eine halbe Stunde und zu guter Letzt vielleicht sogar täglich eine Stunde. Außer du hast viel zu tun, dann nimm dir zwei.

Liebe Grüße und Gottes Segen dabei!

Tim Probsthain