Der fortsetzende Schöpfer

Seit meiner Kindheit fasziniert mich der Nachthimmel. Gerade zum Anbruch der Winterzeit komme ich wieder öfter in den Genuss, an wolkenlosen Abenden nach oben zu sehen und die praktisch endlosen Tiefen des Kosmos auf mich wirken zu lassen. Ich denke an die vielen Objekte, die hunderte Male größer, um ein Vielfaches heißer, oder einfach nur sehr viel merkwürdiger sind als unsere Sonne. Und dann versuche ich, mir eine Vorstellung von den Lichtjahren an Entfernungen zu machen, die zwischen den einzelnen Lichtern liegen und davon, wie unwahrscheinlich klein unser Planet und ich erst recht im Vergleich zu all dem sind. Jedes Mal, wenn ich das versuche, scheitere ich daran. Was ich über das Universum weiß ist zu gewaltig, zu groß, um für mich begreifbar zu sein und wann immer ich diese Erfahrung erlebe, packen mich das Staunen und die Ehrfurcht wieder ein wenig.

Ich erlebe Gott mal als Freund, mal als Vater, mal als Tröster und in Momenten wie diesen auch als Schöpfer. Gott selbst kann ich nicht fassen, aber über Eindrücke wie den eines Ausblickes von einem Berg, den man gerade bestiegen hat, oder den eines Tieres, das in seiner Andersartigkeit so kreativ und einzigartig geschaffen wurde, ist es möglich, das Wirken Gottes als Schöpfer zu erahnen und ihm zu begegnen. Doch neben all dem Großen und Atemberaubenden dieser Welt ist es vor allem ein unscheinbarer Bibelvers, durch den mich der Schöpfergott besonders bewegt.

In Genesis 3 wird anhand von Adam und Eva das Dilemma beschrieben, dass die Menschen auch in einer Welt, die gut geschaffen ist, die Freiheit brauchen, sich selbstbestimmt dem Guten gegenüber zu positionieren und so auch die Möglichkeit haben, einander zu schaden. Als es nun dazu kommt, dass die beiden den Garten verlassen müssen, folgt der aus meiner Sicht leicht zu unterschätzende Vers 21, der da lautet: „Und Gott, der HERR, machte für den Menschen und seine Frau Kleider aus Fellen.“ Zur Erinnerung: die Schilderung des Lebens im Garten Eden endet in Genesis 2, Vers 25 mit der Zuspitzung „Die beiden waren nackt, aber sie schämten sich nicht voreinander.“ Ein Sinnbild dafür, dass in einer Welt, in der die Beziehungen des Menschen zu Gott, zu seinen Nächsten und zu sich selbst intakt sind, keine Notwendigkeit besteht, Teile seines Selbst verdeckt zu halten und vor anderen zu verbergen.

Doch der dargestellte Bruch in der Beziehung zu Gott führt nicht zuletzt auch zu einem Vertrauensbruch zwischen den Menschen, was besonders daran deutlich wird, dass Adam, als er von Gott konfrontiert wird, seine Frau beschuldigt, ihm die Frucht gegeben zu haben. In dieser Situation der Brüchigkeitserfahrung und des Misstrauens kommt in den Menschen die Scham als Schutzmechanismus zum Vorschein, der sie dazu bringt, sich dem anderen gegenüber stärker zu verschließen. Das Bedürfnis nach Kleidung ist in dieser Geschichte ein Resultat der Sündhaftigkeit des Menschen.

Was bedeutet es also, wenn Gott für die Menschen in Genesis 3, Vers 21 Kleidung aus Fellen macht? Es scheint kein großer Aufwand dahinter zu stecken und das Geschaffene selbst ist im Vergleich zu allem anderen, was Gott vollbracht hat, so banal und klein – etwa Alltägliches wie schlichte Bekleidung. Es ist noch nicht einmal der Fall, dass Gott etwas aus dem Nichts heraus geschaffen hat. Bei diesem Vorgang geht es lediglich darum, dass etwas, was bereits existiert, zu einem nützlichen Gegenstand umgeformt wird. Die Menschen wären auch alleine zu so etwas fähig. Warum halte ich diesen Vers also für besonders?

Wann immer Gott zuvor als Schöpfer tätig war, so geschah das meist unabhängig vom Menschen. Die Welt würde auch ohne uns (häufig sogar noch besser) funktionieren und in den Momenten, in denen Gott uns selbst oder etwas für uns schafft, sind wir Objekte oder Beschenkte anstatt aktiv Beisteuernde. Bei der Herstellung von Kleidung in diesem Fall ist das aber anders. Wäre es bei Gottes Vorstellungen geblieben, wäre der Bedarf dafür wohl gar nicht erst entstanden. Es sind die Menschen, von denen diese Notsituation ausgeht und anstatt dass sich Gott von ihnen abwendet, als sie das, was er für sie vorgesehen hat, verwerfen, passt er sich in seinem Handeln an sie an. Gott verwirft die gute Schöpfung nicht, wenn sie durch den Menschen brüchig wird. Er verlässt den Menschen nicht, wenn dieser den Anforderungen, die Gott an ihn stellt, nicht gerecht werden kann. Gott nimmt die Bedürfnisse des Menschen, die aus seiner Brüchigkeit folgen, ernst und kümmert sich um sie.

Es mag frustrierend sein mitanzusehen, wie das Gute, das Gott in die Welt gesetzt hat – einen Planeten, der Leben ermöglicht, eine enorme Arten- und Pflanzenvielfalt, die Wesenszüge und Gaben jedes Menschen in seiner Einzigartigkeit – durch menschliche Einflüsse gestört, zurückgehalten und gefährdet wird. Doch dieser Vers in Genesis 3 vermittelt vor diesem Hintergrund eine wertvolle Botschaft: Trotz allem, was es an Schlechtem in der Welt gibt, von Gott, dem Schöpfer, geht nicht nur alles aus, es geht auch alles durch Gott, den Schöpfer, weiter!

Marvin Esau